Echte Liebe: Warum Emotionen beim Fußball unserer Seele guttun

Von Rene Reinisch

Hier werden auch Männer ganz weich: beim Fußball. Millionen fiebern an den TV-Geräten mit, wenn die Top-Teams auf dem Rasen kämpfen. Dabei wird den Emotionen häufig freien Lauf gelassen, sogar geweint. Psychologen begrüßen dieses Ventil für die Seele, denn gerade Männer verbergen ihre Emotionen auf und werden dadurch krank. Doch warum vermag Fußball so mitzureißen? Eine Antwort darauf liefert unser Gehirn.

 

Im kollektiven Glückstaumel: Darum ist Fußball so emotional

Deutschlandweit gibt es mehr als 47 Millionen Fußball-Fans. Sogar ehemalige Politik-Größen wie Angela Merkel fieberten im Stadion mit, wenn das Runde ins Eckige muss. Es wird geschrien, gebangt, gezittert, aufgesprungen, geweint, gelacht – eine emotionale Achterbahn in ca. 90 Minuten.

Die Emotionen beim Fußball können jedoch regional unterschiedlich sein. Während in Deutschland nicht nur während der Bundesliga das Fußballfieber grassiert, war die Stimmung bei der Weltmeisterschaft in Katar deutlich verhaltener. Auf den Rängen war von Jubel kaum etwas zu sehen, stattdessen zücken viele Gäste ihre Smartphones. Sie machen nicht nur Fotos und Videoaufzeichnungen von der Partie, sondern schauten sich vielleicht sogar parallel andere Begegnungen und aktuelle Nachrichten zum WM-Geschehen an.

 

Unser Gehirn fiebert mit

Spiegelneuronen sind verantwortlich für unsere emotionale Achterbahnfahrt. Wir fühlen uns vor allem durch andere mitgerissen und müssen unweigerlich vom Sitzplatz aufspringen, jubeln, schreien. Forscher der medizinischen Universität Wien fanden heraus, dass sich unser Gehirn gern mit anderen sympathisiert. Erleben wir beispielsweise gemeinsam mit Fans im Stadion eine Partie oder wollen mit Freunden Fußball im Internet schauen, verbünden sich die Spiegelneuronen. Das können auch Nicht-Fußballfans ein Selbstversuch bestätigen: Sie werden von der Stimmung irgendwann in den 90 Minuten mitgerissen und können sich mindestens einen kleinen Jubelschrei abringen.

Ursächlich dafür ist das Phänomen der Spiegelneuronen. 2010 wurden sie erstmals durch US-Forscher nachgewiesen. Seitdem dienen sie als fundierte Erklärung für zu manches emotionale Phänomen. Dazu gehören auch Jubel und Begeisterung beim Fußball.

 

Warum finden wir Fußball so emotional?

Die deutsche Nationalmannschaft von 1974 sang in ihrem Lied “Fußball ist unser Leben”. Viele Fans sehen das ähnlich und sind mit ihren Mannschaften eng verbunden. Doch eigentlich weiß unser Gehirn, dass wir keine persönlichen Konsequenzen zu befürchten haben, wenn „unser“ Team auf dem Platz gewinnt oder verliert.

Aus diesem Grund können Fans ohne Angst vor Konsequenzen alles geben und sich emotional richtig ausleben. Es darf geschrien, gefeiert, getobt, geweint, gelacht oder geflucht werden. Eine Kündigung durch den Chef oder eine Bewertung durch Kollegen gibt es dabei nicht. Stattdessen sind hunderte oder sogar tausende Gleichgesinnte in der Emotionalität vereint.

 

Die Einfachheit der Spielweise

“Der Ball ist rund und ein Spiel dauert 90 Minuten!” – Sepp Herberger beschrieb es mit trefflichen Worten. Die Einfachheit des Spiels trägt einen großen Teil dazu bei, dass der Sport so beliebt ist. Unabhängig von der Abseitsregel ist schnell verständlich, dass sich insgesamt elf Spieler auf dem Platz tummeln und versuchen, den Ball ins gegnerische Tor zu schießen. Der Zugang zum Spielgeschehen selbst ist auch für Nicht-Fans nach wenigen Minuten möglich. Das steckt an und macht Lust genauer hinzuschauen.

Wir lieben den Nervenkitzel

Wer erinnert sich nicht an das denkwürdige Finale zwischen Deutschland und Ungarn 1954. Auch heute sind diese Bilder und tonalen Mitschnitte unter Fußballfans ein Highlight. Nach 8 Minuten lag die deutsche Mannschaft bereits mit 2:0 zurück. Doch das Team schaffte es, den Rückstand aufzuholen und kurz vor dem Ende das Siegtor zu erzielen. Die Jubelschreie des damaligen Radio-Reporters Herbert Zimmermann sind noch heute legendär und so manchem im Ohr: “Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen. Rahn schießt! Toooooor! Tooooor! Tooooor! Tooooor!”

An solch einem Nervenkitzel findet unser Gehirn gefallen. Wir mögen es, wenn Dinge unberechenbar sind und wir darauf mit einer emotionalen Achterbahnfahrt reagieren können. Die wechselhaften Emotionen bieten uns ein Ventil, um beispielsweise Stress abzubauen.

 

Unsere Psyche braucht ein Ventil: Emotionsausbrüche beim Fußball sind Balsam für die Seele

Mehr als 58 Prozent aller Deutschen fühlen sich hin und wieder gestresst. Ursächlich dafür ist vor allem das fordernde Arbeitsumfeld. Auch die Angst vor der Zukunft oder sozialer Druck führen dazu, dass wir uns Sorgen machen, um ruhig schlafen oder sogar andere Krankheitsbilder, die Kopfschmerzen entwickeln.

Gesundheitsexperten empfehlen, die Emotionen zuzulassen. Gerade Männern fällt dies häufig schwer, denn sie gelten gesellschaftlich als das starke Geschlecht. Häufig haben sie von ihren Eltern und Urgroßeltern noch die Prägung erhalten, dass sich jammern nicht gehört. Beim Fußball können diese Emotionen ohne Scheu gezeigt werden. Hier weinen sogar Männer, auch vor Millionen Fans und Fernsehkameras. Fließen einmal die Tränen, gibt es häufig auch für andere Mitspieler und Fans kein Halten mehr. Hier kommt wieder das Prinzip der Spiegelneuronen ins Spiel. Sobald jemand seine Emotionen rauslässt und zeigt, fühlen wir uns dazu animiert, dies auch zu tun. Deshalb sind kollektiver Jubel und Schmerz so gut für die Seele.

Wird Tränen freien Lauf gelassen, geschieht im Körper etwas ganz Wundersames: Stresshormone werden reduziert, der Atem entspannt sich, der Puls geht ebenfalls langsam nach unten. Es scheint fast so, als wäre der Ausbruch der Gefühle ein echtes Ventil, eine erlösende Last. Durch das Weinen werden außerdem Oxytocin und Endorphine eingesetzt. Sie gelten als Stimmungsheber und verursachen im Körper ein angenehmeres Gefühl.

 

Frische Luft macht die Seele glücklich

Der Besuch im Stadion fordert nicht nur das Gemeinschaftsgefühl, sondern belebt auch den Körper. Die frische Luft und die Bewegungen am Platz bringen zusätzliche Sauerstoffzufuhr und machen agiler. Durch die zahlreichen Sinneseindrücke können wir zusätzlich den Stress-Fokus minimieren.

 

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